Barrierefreiheit bei On-Demand-Verkehren

Durch Hinweise von Vereinsmitgliedern wurde der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK) auf das Thema Barrierefreiheit bei On-Demand-Verkehrsangeboten aufmerksam.

Wurde die Barrierefreiheit mitgedacht

Oft ist es bei solchen Angeboten so, dass beim Thema Barrierefreiheit nicht von Anfang an mitgedacht und diese nicht so umgesetzt wird, wie es für Menschen mit Behinderung erforderlich ist.
Innerhalb von Großstädten geht es dabei um Gebiete mit weniger Nachfrage und doch noch merklichen Entfernungen zwischen z.B. der Wohnung und der Haltestelle. Bei der Erschließung dieser Stadtteile sollen dann kleinere Fahrzeuge als normale Linienbusse eingesetzt werden. Und das nicht nach starrem Fahrplan, sondern nur „bei Bedarf“, wobei sich die Fahrgäste zuvor digital anmelden müssen.

Außerhalb von Großstädten geht es um Verbindungen, bei denen das Fahrtangebot im ÖPNV bisher auf wenige regelmäßige Fahrten beschränkt ist. Es entsteht eine Wechselwirkung zwischen Angebot und Nachfrage. Im Ergebnis ist das Angebot für die verbleibenden Nutzer wenig attraktiv. Auch hier steht die Überlegung im Raum, nur dann das Fahrzeug raus zu schicken, wenn Fahrgäste vorangemeldet sind.

Angaben in Grad schmeicheln

Und wie stellt sich die Lösung für mobilitätseingeschränkte Menschen dar? Im Detail sieht das oft anders aus, wie bei der Präsentation für Presse und Politik dargestellt. Der Rollstuhl, der seit Jahren in Bussen und Bahnen mitfahren konnte und der die engen Vorgaben der TSI PRM – einer Vorgabe der EU für Eisenbahnen – einhält – lässt sich nur an einer Stelle im Shuttle-Fahrzeug fixieren, an der dann die Rampe nicht mehr einklappbar ist. Oder es sind nur Rollstühle mit noch kleineren Abmessungen vorgesehen. Weiterhin problematisch sind die Angaben im Datenblatt eines solchen Fahrzeuges, welche die Rampenwinkel mit 15 Grad angeben. Dies ist für manche Menschen nur eine unverständliche Zahl, da die geläufige Angabe in Prozent erfolgt. Im Beispiel des Rampenwinkels von 15 Grad wären das 26,8 % Steigung. Die im Eisenbahnverkehr höchste zulässige Steigung auf Rampen als Einstiegshilfen liegt bei 18 % und das selbst ist schon erheblich höher, als das was z.B. die DIN-Norm 18040 für die dortigen Rampen vorsieht. Diese liegt bei maximal 6 %.

Reicht diese breite aus?

Noch ein Wert aus einem Datenblatt eines solchen Fahrzeugs: „Rampenbreite (zwischen den seitlichen Führungen): 714 mm“.  Ist das viel, reicht das aus? Nach der schon genannten Norm gilt für im Zug transportierbare Rollstühle eine Breite von bis zu 700 mm. Nicht mal ein ganzer Zentimeter Spiel bleibt bei einer extrem steilen Rampenfahrt links und rechts bis zum Anschrammen der Räder an besagten seitlichen Führungen – eindeutig zu wenig für einen solchen Rollstuhl.

Ein anderes Beispiel: Der Einstieg über eine Rampe an der Heckklappe beim Halt auf der Fahrbahn im fließenden Verkehr mag in einer ruhigen Seitenstraße gelingen, doch nicht immer sind die Verhältnisse so. Am zugeparkten Straßenrand auf den Bordstein kommen ist allein für sich schon eine Herausforderung. Manchmal „kreist“ ein solches Fahrzeug im Stadtteil und bei Anmeldung eines Menschen im Rollstuhl rückt nach Möglichkeit ein speziell dafür umgebautes anderes Fahrzeug aus einer anderen Region an. Das dauert dann länger, wobei man an das Verhältnis Wartezeit zur anschließenden Fahrtzeit denken sollte.

Immer wieder wird in Sonntagsreden von „barrierefreien Reiseketten“ gesprochen. Bei isolierter Betrachtung eines „Projekts“ mag es sein, dass die Mitnahme von bestimmten Rollstühlen zur Zufriedenheit des betreffenden Nutzers berücksichtigt wird. Andersartige Vorgaben der Abmessungen für Rollstühle für Teile einer Reisekette sorgen jedoch dafür, dass solche barrierefreien Reiseketten am Ort des Umstiegs enden können.

Eine ähnliche und weitergehende Problematik ergibt sich aus unserer Sicht bei den ebenfalls in mehreren geförderten Projekten vorhandenen Ansätzen, die zu fahrerlosem Betrieb führen sollen.

Fahrerlosem Betrieb

Wenn man in Fachartikel und von Präsentationen Fotos von einer ausgefahrenen elektrischen Rollstuhlrampe an solch einem Fahrzeug sieht und dem Artikel entnehmen kann, diese würde von dem derzeit noch vorhandenen Operator bedient.  Hier fragt man sich mit Blick auf das Ziel, keine Personalkosten am Fahrzeug zu haben, wer das denn künftig leisten soll. Für diese Problemstellung entsteht eine Lösung nämlich nicht ohne Vorarbeiten.

Kein Kneeling wie bei den heute üblichen Stadtbussen, dafür aber Halt an virtuellen Haltestellen – salopp gesagt einfach irgendwo am Straßenrand – da stellt sich der Ein- und Ausstieg im Rollstuhl auch mittels Rampe über den erheblichen Höhenunterschied oft nicht als triviales Unterfangen dar. Noch begleitet ein Mitarbeiter statt eines Fahrers jede Fahrt. Wenn der nicht mehr dabei ist, bedient er die Rampe sicherlich nicht und assistiert auch nicht bei einer Fahrt über die steile Rampe – und das auch rückwärts, wenn das Wenden im Fahrzeug nicht vorgesehen ist.

Wenn der Rollstuhl mangels Fläche im Fahrzeug quer zur Fahrtrichtung stehend befördert wird, ist das bei den angestrebten Geschwindigkeiten im Falle eines Aufpralls für den Menschen darin lebensgefährlich. Daher gibt es Vorgaben der EU für die Mitnahme in Bussen. Es geht nicht mehr um die ursprünglichen 6 km/h Höchstgeschwindigkeit, nun sind es 18 km/h und es sollen bald mehr werden.

Für die vor Ort tätigen Mitstreiter in Sachen Barrierefreiheit gibt es weiterhin viel zu tun, denn „von selbst“ wird unsere Umwelt nicht frei von Barrieren. Wie man sehen kann, kommen sogar neue hinzu.

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